Wenig vorhanden, einiges geplant
Hamm. In den meisten Städte verursacht der Verkehr mittlerweile mehr Klimaschäden und Luftverschmutzung als Industrie oder Gewerbe. Der Einsatz von Elektrofahrzeugen soll Abhilfe schaffen. Deshalb hat der Bundestag das Elektromobilitätsförderungsgesetz (EmoG) beschlossen. Es trat Ende September 2015 in Kraft. Die Kommunen haben seitdem die Möglichkeit, Sonderrechte für Elektrofahrzeuge einzuführen. Sie können zum Beispiel bestimmte Parkplätze für Elektroautos ausweisen, auf Parkgebühren für E-Fahrzeuge verzichten oder die Benutzung von Busspuren erlauben.
Nach mehr als einem Jahr haben die meisten Städte und Gemeinden noch keinen Gebrauch von dem Gesetz gemacht. Sogar die von den Grünen mitregierte Stadt Münster blockt ab. Nicht einmal kostenloses Parken für Elektroautos ist dort ein Thema, wie Münsters Pressesprecherin Siegrid Howest auf Anfrage mitteilte: „Mit Blick auf die Stadtkasse und den Haushalt setzt die Stadt Münster aktuell für ihre geringe Manövriermasse andere Prioritäten.“
Andere Kommunen nehmen die Ziele des Elektromobilitätsgesetzes ernster. Zu ihnen gehören Groß- und Kleinstädte in ganz Deutschland. Von Böblingen bis Hamburg finden Elektroautofahrer zumindest kostenlose Parkplätze. In NRW sind zum Beispiel Gladbeck und Lüdinghausen mit von der Partie. In Hamm hat es bislang kaum Aktivitäten in dieser Richtung gegeben. Auch die Zahl von vier Stromtankstellen ist sehr niedrig. Viele Kleinstädte haben mehr. In Münster gibt es 36, in Dortmund 92 öffentliche Ladestationen. Während das EmoG aber in Münster völlig ignoriert wird, steht es in Hamm zumindest auf der Tagesordnung. Wir sprachen darüber mit Carsten Gniot, Abteilungsleiter Verkehrsplanung im Stadtplanungsamt.
- Herr Gniot, wie viele Elektrofahrzeuge sind in Hamm zugelassen?
Gniot: Es gibt derzeit in Hamm 44 reine Elektrofahrzeuge und 182 Hybrid-Fahrzeuge.

Interviewpartner Carsten Gniot, Abteilungsleiter Verkehrsplanung im Stadtplanungsamt. Foto: Thorsten Hübner, Stadt Hamm (frei verfügbar)
2. Welche Schritte hat die Stadt Hamm bisher zur Umsetzung des Elektromobilitätsgesetzes unternommen?
Gniot: In Hamm gibt es insgesamt sechs Ladestationen für E-Mobile (Standorte: https://de.chargemap.com/stadt/hamm). Eine davon befindet sich im städtischen Parkhaus „Kleist-Forum“ in der City, unmittelbar am Hauptbahnhof. Hier können Elektrofahrzeuge kostenlos mit Ökostrom betankt werden.
3. Können Bus- und Taxispuren für Elektroautos geöffnet werden?
Gniot: In Hamm sind alle Busspuren am Ende mit Signalanlagen verknüpft, die nur der Bus freischalten kann. E-Mobile würden hier „verhungern“. Wir teilen zudem die Bedenken aus der Fachwelt hinsichtlich der Behinderungen der Busse bei einer Mitnutzung. Zudem fließt der Verkehr in Hamm zumeist recht gut, so dass man mit dem E-Mobil auch auf der Fahrbahn zügig vorankommt.
4. Sind die Parkplätze an öffentlichen Stromtankstellen in Hamm kostenlos?
Gniot: Im Parkhaus Kleist-Forum muss man zwar ein Parkticket lösen, dafür ist der Strom aber kostenlos.
5. Ist daran gedacht, im Stadtgebiet Gratis-Parkplätze für Elektroautos auszuweisen? Und wie können die Plätze an öffentlichen Stromtankstellen vor dem Zuparken durch andere Fahrzeuge geschützt werden?
Gniot: In der Hammer Verwaltung wird derzeit an einem Konzept zur örtlich angepassten Umsetzung der Möglichkeiten gearbeitet, die das neue Gesetz bietet. Das kostenlose Parken für E-Mobile und die Frage der Schaffung weiterer Ladesäulen und deren Freihaltung gehören zu den wichtigsten Themen.
- An der Autobahn-Raststätte Rhynern Nord gibt es immerhin schon eine Schnellladestation für Elektroautos. In ganz Münster und Umgebung gibt es dagegen keine einzige. Sind in Hamm weitere Initiativen zur Installation schneller Ladesäulen geplant?
Gniot: Bislang gibt es diese Initiativen noch nicht. Sie würden aber durch die Stadt Hamm nachhaltig unterstützt.
7. E-Bikes sind zwar nicht Gegenstand des Elektromobilitätsgesetzes. Sie gehören aber auch zum Thema. Was tut die Stadt auf diesem Feld?
Gniot: Die „Fahrrad-Metropole“ Hamm konzentriert sich derzeit auf die Optimierung der Rahmenbedingungen für E-Bikes. Mit über 17 Prozent verfügt Hamm über den zweithöchsten Radverkehrsanteil aller Großstädte in NRW. Unter den 50.000 Fahrrädern, die sich täglich auf den Hammer Straßen bewegen, gibt es nach Schätzungen bereits über 2.000 mit elektrischem Antrieb. Eine deutliche Zunahme wird in den nächsten Jahren erwartet. In der größten Radstation des Ruhrgebiets im Hammer Bahnhof sollen eine Ladestation und ein E-Bike-Verleih entstehen. Derzeit wird mit entsprechenden Anbietern verhandelt. Um Ihre Vorbildfunktion wahrzunehmen, hat die Stadtverwaltung vor kurzem in der Tiefgarage des Technischen Rathauses eine E-Bike-Tankstelle für die Mitarbeiter eröffnet.
Matthias Münch
Stromtankstellen auf Hammer Stadtgebiet
Das von Carsten Gniot im Interview genannte Suchportal Chargemap zählt sechs öffentliche Ladestationen für Elektroautos im Hammer Stadtgebiet auf. Wir haben das überprüft. Tatsächlich sind es nur vier. Zwei der genannten Stationen (Am Hülsenbusch 10 und Dortmunder Straße 104) gibt es nicht. Solche Fehlmeldungen liefert das Suchportal sonst nicht. Die existierenden vier Stromtankstellen haben wir unter die Lupe genommen:
1) Tank & Rast, Raststätte Rhynern Nord an der A2, Ostendorfstraße 62: kostenlos. Ladestecker: Zwei Schnelllade-Steckdosen (50 kw), davon einmal CHAdeMO und einmal CCS sowie eine Typ 2-Steckdose (22 kw). Rund um die Uhr geöffnet. ![]() Schnellladesäule von Tank + Rast, an der A2 Raststätte Rhynern Nord. Foto: Münch Bewertung: Diese Schnelllade-Stromtankstelle ist das Highlight in Hamm. Die Batterien vieler Elektroautos können hier in 15 bis 30 Minuten wieder zu 80 Prozent gefüllt werden. Vergleichbares gibt es in Münster und Umgebung nicht. Wer von Hamm in Richtung Norden fährt, findet die nächste Schnellladestation erst wieder in Osnabrück. 2) Stadtwerke Hamm, Willy-Brandt-Platz: Laden ist kostenlos. Parkgebühren: 1/2 Stunde frei, 1 Stunde 1 Euro, Jede weitere 1/2 Stunde 0,50 Euro, Tageskarte 5 Euro. ![]() Eröffnung der Elektroauto-Ladestation der Hammer Stadtwerke in der Tiefgarage des Heinrich-von-Kleist-Forums im Mai 2014: Hamms Oberbürgermeister Thomas Hunsteger-Petermann, Stadtwerke-Geschäftsführer Jörg Hegemann und Johanna Bömken von der Pressestelle der Hochschule Hamm-Lippstadt (HSHL). Foto (frei verfügbar): Thorsten Hübner, Stadt Hamm ![]() Am Wochenende kaum erreichbar sind die Ladeplätze im Kleist-Forum. Die Tiefgarage ist samstags ab 18 Uhr und sonntags ganz geschlossen. Foto: Münch ![]() Parkhaus Hamm, Bahnhof Ladestecker: Zwei Typ 2-Steckdosen (11 kw). Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 6 bis 22 Uhr. Samstag 7.30 bis 18 Uhr. Sonntag geschlossen. Ausfahrt jederzeit möglich. Bewertung: Das gute Angebot wird getrübt durch die Schließung am Wochenende und die mit 11 kw relativ geringe Ladeleistung. Standard an öffentlichen Stromtankstellen sind heutzutage 22 kw wie zum Beispiel an den RWE-Stationen. 3) RWE, Siegenbeckstraße 10: kostenpflichtig. Ladestecker: Zwei Typ 2-Steckdosen (22 kw). Rund um die Uhr geöffnet. Bewertung: Gut zugänglich, zuverlässig.
4) Möbelhaus Finke, Unnaer Straße 35: kostenpflichtig. ![]() Ladeplätze vor dem Möbelhaus Finke, Foto: Münch Ladestecker: Vier Typ 2-Steckdosen (22 kw). Öffnungszeiten: Montag bis Samstag 10 bis 20 Uhr, Sonntag geschlossen. Bewertung: Zuverlässiges Standard-Ladenetz von RWE.
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An dere E-Mobility-Städte
Hier eine Liste der bisher registrierten E-Mobility-Städte, die als ersten Schritt zur Umsetzung des Elektromobilitätsgesetzes kostenloses Parken für Elektrofahrzeuge eingeführt haben: Stuttgart, Konstanz, Ludwigsburg, Waiblingen, Oberursel, Hamburg, Böblingen, Sindelfingen, Esslingen, Braunschweig, Friedrichshafen, Langenfeld (Rheinland), Harburg, Weiden in der, Oberpfalz, Herford, Nienburg (Weser), Lüdinghausen, Singen (Hohentwiel), Hildesheim, Jena, Dülmen, Gladbeck, Schwäbisch Gmünd, Celle, Ebersberg, Dinslaken, Hameln, Weimar, Landsberg am Lech, Penzberg, Baden-Baden, Schweinfurt, Weimar, Kiel. Ständig schließen sich weitere Kommunen an.